Waldesruh in Thüringen – Waldumwandlung für Windenergienutzung unzulässig

09.02.2021

§ 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sieht vor, dass eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen nicht zulässig ist. Damit scheiden in diesem Bundesland Waldflächen für die Nutzung der Windenergie aus. Die Waldumwandlungsgenehmigung ist formell durch die Konzentrationswirkung auch Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Zulassung und so kann eine Genehmigung für Windenergieanlagen im Wald in Thüringen nicht erteilt werden.

 

Diese Änderung, die mit Gesetz vom 21. Dezember 2020 eingeführt wurde, geht auf eine Gesetzesinitiative der Fraktionen von CDU und FDP zurück und wurde vom Landtag am 18. Dezember 2020 einstimmig beschlossen. Dokumente zu dem Entwurf sind spärlich. Am aussagekräftigsten ist der Gesetzentwurf mit Begründung vom 22. Januar 2020, der im Wesentlichen enthält, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in Wäldern der Zweckbestimmung des Waldgesetzes zuwiderlaufen würde. Der Wald sei ein natürlicher CO2-Speicher und helfe entsprechende Belastung zu reduzieren. Die Robustheit und Leistungsfähigkeit des Waldes und seine Eignung für naturbezogene Erholung werde durch Windenergieanlagen herabgesetzt. Auch Vogelschutz, Wasserhaushalt und der bessere Schutz vor Stürmen durch geschlossene Waldflächen seien in Gefahr. 

 

Die Regelung entspricht wesentlich bekannten Normen, z. B. § 9 Abs. 3 Satz 2 LWaldG SH oder auch § 8 Abs. 1 Satz 2 WaldG LSA. Dabei ist die Bedeutung in Thüringen eine praktisch andere. Schleswig-Holstein hat einen Waldanteil von 11 %, das ist sogar ein geringerer Waldanteil als die norddeutschen Stadtstaaten. Sachsen-Anhalt hat einen Waldanteil von 26 %, während Thüringen über einen Waldanteil von immerhin 34 % verfügt. Damit ist Thüringen zwar nicht unbedingt als besonders waldreich zu bezeichnen (Rheinland-Pfalz hat z. B. über 42 %), aber die Bedeutung der Waldflächen für die Windenergienutzung ist nicht unbedeutend, das zeigt auch die ganz aktuelle Raumordnungsplanung, die vielfach Flächen im Wald vorsieht. Hier zeigen sich bereits öffentliche Interessen, die für die Öffnung des Waldes für die Windenergienutzung streiten. Diese öffentlichen Interessen an der Förderung der Windenergie sind vom Gesetzgeber nicht ernsthaft ermittelt und bewertet worden.

 

Die Verfassungsgemäßheit der Bestimmung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, lässt sich bezweifeln. Die Eingriffe in den Wirtschaftswald durch die Errichtung von Windenergieanlagen sind nicht erheblich, und die zur Begründung der Beschränkung angegebenen Erwägungen dürften das verständliche Nutzungsinteresse kaum überwiegen. Der Eingriff in private Rechte, insbesondere das Eigentum der Waldbesitzer, die Windenergieanlagen errichten wollen, ist so nur schwer zu rechtfertigen. Auch gibt es keine Übergangsbestimmungen, sodass auch laufende Genehmigungsverfahren unmittelbar unter die Bestimmung fallen. Der Vertrauensschutz der Genehmigungsantragsteller, deren Projekte sich im Wald und im Zulassungsverfahren befinden, könnte verletzt sein, das gerade, wenn diese in ausgewiesenen Vorranggebieten für die Windenergie liegen. 

 

Auch in Anbetracht dieser Zweifel ist das Parlamentsgesetz zunächst in Kraft und könnte nur durch eine verfassungsgerichtliche Entscheidung aus der Welt geschafft werden. Die Bestimmung ist von den Behörden des Landes anzuwenden. 

 

Weiteres Problem ist die Rückwirkung auf die Regionalplanung in Thüringen. Die Regionalen Planungsgemeinschaften steuern durch eine Konzentrationszonenplanung die Windenergienutzung in die Vorranggebiete, außerhalb ist die Windenergienutzung unzulässig. Durch die Nichtbebaubarkeit der Flächen im Wald dürfte für diese Ausschlusswirkung eine Funktionslosigkeit naheliegen, sodass jedenfalls außerhalb von Waldflächen eine ungesteuerte Zulässigkeit der Windenergienutzung vorliegen könnte. Insgesamt kann man festhalten, dass sich der Gesetzgeber in Thüringen mit der Inkraftsetzung der Regelungen wohl einen Bärendienst erwiesen hat und insbesondere die Rückwirkungen auf die die Windenergie steuernde Regionalplanung scheinbar unbeachtet geblieben sind.

 

Wenn Sie noch weitere Rückfragen zu diesem Thema haben, stehen Ihnen die Kollegen Dr. Andreas Hinsch, Dr. Mahand Vogt und Benjamin Zietlow gerne zur Verfügung.

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