23.01.2025
Mit zwei im September 2024 ergangenen und inzwischen auch begründeten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 12.09.2024, 7 C 3.23 und 7 C 4.23) wird sich absehbar die bisherige Verwaltungspraxis zur Anerkennung von Kompensationsmaßnahmen und zur Bemessung von Ersatzgeldern bei Eingriffen in das Landschaftsbild durch die Errichtung von Windenergieanlagen grundsätzlich ändern.
Bislang werteten die Genehmigungsbehörden bei Eingriffen in das Landschaftsbild durch den Bau von Windenergieanlagen nur die Beseitigung vertikaler Strukturen und den Rückbau von Bestandsanlagen bzw. vergleichbaren Bauwerken als zulässige Kompensationsmaßnahmen. Nun entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass auch alle anderen Maßnahmen, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder Erholungswert einer Landschaft in dem von einem Windvorhaben betroffenen Naturraum steigern, als Kompensationsmaßnahme, ggf. auch im Sinne einer Teilkompensation, in Betracht kommen.
Hintergrund der Entscheidung
§ 15 Satz 2 BNatSchG sieht vor, dass nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren sind. Das Land Brandenburg hat dazu im Rahmen seines "Kompensationserlasses Windenergie" geregelt, dass nur der Rückbau von mastartigen Bauwerken oder vergleichbaren Strukturen eine geeignete Ersatzmaßnahme darstellen.
Gegenstand der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht waren Genehmigungsentscheidungen der Immissionsschutzbehörde in Brandenburg. Sie hatte Maßnahmen, die Windenergieanlagenbetreiber zur Kompensation des aufgrund von Errichtung und Betrieb der Anlagen entstehenden Eingriffs in das Landschaftsbild geplant hatten – Rückbau von Stallanlagen und Anpflanzung von Gehölzgruppen in ca. 11 km Entfernung vom Vorhabenstandort – nicht als solche anerkannt und die Zahlung eines Ersatzgeldes verfügt.
Hiergegen wandten sich die Genehmigungsinhaber. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die behördliche Entscheidung und entschied, dass die spezifischen Eingriffsfolgen durch den turmartigen Eindruck von Windenergieanlagen allenfalls durch den Rückbau von Bauwerken, die wie eine Windenergieanlage im Raum wirksam seien, um das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederherzustellen oder neu zu gestalten, nicht aber durch Anpflanzungen oder ähnliches.
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht hob die Urteile des Oberverwaltungsgerichtes auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.
Es stellte fest, dass der von den angefochtenen Entscheidungen zugrunde gelegte rechtliche Maßstab über die Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinausgehe. Für den Ersatz von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in seiner Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie seines Erholungswerts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG genüge eine gleichwertige Herstellung der betroffenen Funktionen. Anders als bei Ausgleichsmaßnahmen sei eine gleichartige Herstellung nicht erforderlich. Eine gleichwertige Herstellung sei dabei nicht auf Ersatzmaßnahmen beschränkt, die auf die Beseitigung vertikaler Strukturen zielen. Auch Maßnahmen, die auf anderem Wege Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder Erholungswert einer Landschaft in dem betroffenen Naturraum steigerten, kämen zur Kompensation in Betracht. Für die Eignung als Ersatzmaßnahme genüge in räumlicher Hinsicht, wenn die Maßnahme im betroffenen Naturraum belegen sei. Die Anforderungen an den räumlichen Bezug zwischen Eingriffsort und Ort der Ersatzmaßnahme seien dabei großzügig auszulegen.
Ausblick
Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts werden einen erheblichen Einfluss auf die seit langem geübte Praxis haben, im Zweifel über Ersatzgeldzahlungen zu kompensieren. Dabei dürfte die Ermittlung und Anerkennung gleichwertiger Kompensationsmaßnahmen – zumindest anfangs – zu Verzögerungen des Genehmigungsverfahrens führen; auch, da einige der landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften angepasst werden müssen. Andererseits erweitern sich die Handlungsspielräume, aber auch der Aufwand der Projektierer: soweit geeignete Kompensationsmaßnahmen vor Ort verfügbar sind, und hier ist man nun eben nicht mehr auf die Beseitigung „vertikaler Strukturen“ beschränkt, entfallen oder reduzieren sich die Ersatzzahlungen und ggf. lässt sich gleichzeitig sogar eine Steigerung der Akzeptanz der Windenergieanlagen vor Ort erreichen.
Sofern Sie Fragen zur Ersatzgeldberechnung oder allgemein zu den behandelten Themen haben, steht Ihnen das Team von BME, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen Herr Dr. Hinsch, Frau Dr. Vogt, Herr Zietlow, Frau Hesselmann, Herr Bunte und Herr Dr. Thibaut gerne zur Verfügung.