Anlage zerstört: Ist er weg, der Zuschlag?

03.02.2023

Der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat sich in seinem Beschluss vom 18. Januar 2023 (Az.: 3 Kart 24/22) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vollständige Zerstörung einer Windenergieanlage zu einer Entwertung des durch die Bundesnetzagentur (BNetz-A) erteilten Zuschlags führt.

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin betrieb zwei Windenergieanlagen. Die BNetzA erteilte der Beschwerdeführerin auf ihr Gebot im Ausschreibungstermin einen Zuschlag. Nach der Inbetriebnahme wurde eine der Windenergieanlagen vollständig zerstört. Zur Errichtung einer Ersatzanlage des gleichen Typs wurde der Beschwerdeführerin eine Änderungsgenehmigung erteilt, die nunmehr eine andere Turmvariante erfasste. Die BNetzA erließ infolgedessen einen Beschluss, in dem sie anführte, dass der Zuschlag durch die nach der Inbetriebnahme erfolgte Zerstörung seine Wirksamkeit verloren habe und stützte die Entwertung normativ auf § 35a Abs. 1 Nr. 4 EEG und knüpfte an das Tatbestandsmerkmal „auf sonstige Weise“ an. Nach Auffassung der BNetzA würde sich die Bin-dungswirkung des Zuschlags nicht auf sämtliche Anlagen beziehen, die aufgrund einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung errichtet würden, sondern es würde durch die EEG-Nummer im Marktstammdatenregister eine Konkretisierung stattfinden. Eine Übertragung auf eine andere bzw. neu errichtete Anlage sei ausgeschlossen. Gegen den Beschluss der BNetzA wendete sich die Beschwerdeführerin mittels Anfechtungsbeschwerde gem. § 75 Abs. 1 EEG – mit Erfolg.

Entscheidung des Oberlandesgerichts:

Das Gericht führt aus, dass für die Frage, ob der der Zuschlag im vorliegenden Fall seine Wirksamkeit gem. § 35a Abs. 1 Nr. 4 EEG „auf sonstige Weise“ verliert, entscheidend ist, wie man seinen Zuordnungsgegenstand definiert. Nach Auffassung des Gerichts beziehe sich der Zuschlag im Streitfall nicht allein auf die bereits errichtete und in Betrieb genommene Windenergieanlage, die endgültig zerstört ist. Vielmehr erstrecke sich der Zuschlag auch auf den errichteten Neubau. Zuordnungsgegenstand der Zuschläge seien alle Windenergieanlagen, auf die sich die in dem Gebot angegebene immissionsschutzrechtliche Genehmigung beziehe, was auch nach Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage gelte. Das Gericht tritt dem Vorbringen der BNetzA eindeutig entgegen, da sich für eine Konkretisierung durch die Angabe der Nummer im Marktstammdatenregister kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt finde. Den wesentlichen Ausgangspunkt für die Entscheidung bildet insbesondere § 36f EEG, der in Abs. 1 Satz 1 EEG von einer „dauerhaften“ Zuordnung spricht. Es finde sich kein Rückhalt im Gesetz, dass sich die vorgenommene Zuordnung des Zuschlags auf die in Betrieb genommene Anlage verenge. Zwar spreche § 36 Abs. 1 Satz 2 EEG davon, dass die Zuschläge nicht auf andere Anlagen oder Genehmigungen übertragen werden dürfen, das Tatbestandsmerkmal „andere Anlagen“ meint allerdings nur solche, die nicht von der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung umfasst sind, ohne dass es auf ihre Vergegenständlichung in einer konkreten Windenergieanlage ankäme. Ferner ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu verschiedenen Vorschriften des EEG, dass Gebot und Zuschlag projektbezogen seien. Dafür, dass der Projektbegriff abhängig von einem Realisierungsstadium sein soll, fänden sich weder in den einschlägigen Vorschriften des EEG noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte. Auch die Vorschrift des § 38b Abs. 2 EEG 2017 – die eine vergleichbare Situation bezogen auf Solaranlagen erfasst – spreche nicht für die Auffassung der BNetzA, da sich die Vorschrift eben ausschließlich auf Solaranlagen beziehe und es sich daher um eine energieträgerspezifische Sondervorschrift handele, deren Inhalt nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar sei. Im Übrigen müssten auch die gesetzgeberischen Ziele berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber strebe die Umsetzung von Geboten in konkrete Projekte an und wesentlicher Gegenstand des Gebots sei die Inanspruchnahme der EEG-Vergütung. Es entspreche diesem Ziel, wenn im Falle der Zerstörung einer Windenergieanlage ein möglicher, zuschlagsgemäßer Ersatzneubau errichtet wird und damit die Anlagenleistung dem Ausbaupfad unmittelbar erhalten bleibe.

Summa summarum:

Das Gericht arbeitet in seiner Entscheidung mit den klassischen juristischen Auslegungsmethoden und führt Argumente nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck als auch nach der Historie bzw. Gesetzbegründung ins Feld, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass ein bereits erteilter Zuschlag nach Zerstörung und Neuerrichtung einer Windenergieanlage nicht seine Wirksamkeit verliert und entwertet wird. Zuordnungsgegenstand der Zuschläge sind alle Windenergieanlagen, auf die sich die in dem Gebot angegebene immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezieht. Eine erfreuliche Klarstellung.

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