Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans der Stadt Diepholz für unwirksam erklärt

10.02.2022

Zwar habe sich die Stadt grundsätzlich an das vom Bundesverwaltungsgericht für eine Ausschlussplanung entwickelte Prüfprogramm gehalten, ihr seien aber wesentliche Planungsfehler unterlaufen. Zum einen habe die Stadt ihrer Planung Ziele der Raumordnung, die das Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises Diepholz festgelegt hatte, zugrunde gelegt, insbesondere auch, dass zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung im Innenbereich ein Abstand von mindestens 500 m einzuhalten sei. Dieses Ziel wie auch weitere habe der 12. Senat mit Urteil vom 12. April 2021 (Az.: 12 KN 159/18) allerdings für unwirksam erklärt. Diese Unwirksamkeit infiziere den Flächennutzungsplan in einer Weise, dass die hieran ausgerichtete Planung der Stadt bereits aus diesem Grund fehlerhaft sei. 

 

Insbesondere aber habe die Stadt gegen das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung verstoßen. Eine Ausschlussplanung, die Windenergieanlagen auf Außenbereichsflächen, auf denen die Anlagen nach der Wertung des Gesetzgebers gerade privilegiert zulässig sein sollen, planungsrechtlich unzulässig mache, erfordere, dass sich die Windenergie andererseits auf den ihr im Plan zugewiesenen Sonderbauflächen im nachgelagerten Genehmigungsverfahren mit sehr hoher Sicherheit gegen andere dortige öffentliche Belange durchsetzen könne. Das wiederum erfordere eine sehr gründliche Sachverhaltsaufklärung im Rahmen des Planverfahrens, ob öffentliche Belange auf diesen Sonderbauflächen einer Windenergienutzung entgegenstehen.Wenn sich entsprechende Konflikte abzeichneten, bedürfe es einer genauen Betrachtung des Einzelfalls. Sonderbaufläche könnten nicht ohne breite und vertiefte Aufklärung ausgewiesen werden. Allein die Hoffnung, der sich abzeichnende Konflikt könne im Genehmigungsverfahren zu Gunsten der Windenergie gelöst werden, genüge keinesfalls. Das Gebot der Sachverhaltsaufklärung gehe vielmehr sehr weit und erfordere, dass die planende Behörde, ggf. auch wiederholt, auf die Träger öffentlicher Belange zugehe und eine verbindliche Aussage darüber abfrage, ob eine Lösung des Konfliktes im nachgelagerten Genehmigungsverfahren mit großer Sicherheit möglich sei. Blieben die Konflikte absehbar unlösbar, könne eine Fläche – jedenfalls nicht als Sonderbaufläche erster Güte – im Plan dargestellt werden. Andernfalls sperrte die Darstellung die übrigen Außenbereichsflächen für die Windenergie, ohne dass sichergestellt sei, dass sich die Anlagen später auch in den ihnen zugewiesenen Räumen durchsetzen könnten. 

 

Vorliegend habe die Stadt insbesondere nicht hinreichend geklärt, ob und in welchem Umfang militärische Belange, hier zur Gewährleistung des sicheren An- und Abflugs auf den bzw. von dem Fliegerhorst Diepholz, dem Betrieb von Windenergieanlagen in den drei südlich bzw. südwestlich des Flugplatzes gelegenen Sondergebieten entgegenstünden. Dieses Defizit der Planung zeige sich darin, dass der beabsichtigten Errichtung solcher Anlagen in der üblichen Höhe in den Sondergebieten bis heute die überwiegend ablehnende Haltung der Bundeswehr entgegenstehe. Außerdem habe die Stadt nach der Ansiedlung eines Fischadlers in nur 280 m Entfernung zu ihrem größten Sondergebiet im Sankt Hülfer Bruch zum Schutz des Fischadlers nicht reagiert und nicht ausreichend aufgeklärt, wie das dortige Fischadlerpaar den ihm zur Verfügung stehenden Raum nutze; vor allem, ob seine Hauptflugrouten über das dargestellte Sondergebiet gingen. Hier habe sich die Stadt allein auf die Hoffnung verlassen, dass die Fischadler in andere Richtungen flögen und damit in Kauf genommen, dass ganze Teile der Sonderbaufläche später der Windenergienutzung nicht zur Verfügung stehen könnten.Derartige Flächen aber könnten jedenfalls nicht voll in die die Berechnung eines substanziellen Raumschaffens für die Windenergie eingerechnet werden.

 

Das Gericht wies darauf hin, dass es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Tabuflächenermittlung durchaus kritisch sehe und der Senat sich der hieraus für die planende Behörde ergebenden z.T. erheblichen Schwierigkeiten bewusst sei. Daher sei der Stadt auch zu raten, bei einer Ausschlussplanung den Fokus in einem ersten Schritt darauf zu legen, ob eine solche Planung im konkreten Raum überhaupt erforderlich und möglich sei. Würde dies bejaht, müsse jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für die unbeschränkte Bebaubarkeit der Sonderbauflächen bestehen. Bei Zweifeln sei eine genaue Ermittlung der entstehenden Nutzungskonflikte erforderlich mit der eventuellen Folge, dass diese Flächen nicht als solche „erster Klasse“ dargestellt und eingerechnet werden könnten.

 

Mit der Entscheidung des Senates verbleibt es jetzt bei der Wertung des Gesetzgebers nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB und der Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich. Vorhabenträger, deren Anlagen außerhalb der drei im Flächennutzungsplan dargestellten Sonderbauflächen stehen sollen, können diese Darstellungen mithin in einem laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht mehr gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegengehalten werden.

 

Sofern Sie Fragen zu der Entscheidung oder allgemein zu den behandelten Themen haben, steht Ihnen das Team von BME, insb. die Kolleginnen und Kollegen Herr Dr. Hinsch, Frau Dr. Vogt, Herr Zietlow, Frau Wömmel und Frau Koch, LL.M., gerne zur Verfügung.

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