Windkraftmoratorium in Brandenburg beschlossen

14.05.2019

Am 1. Mai 2019 ist das sogenannte „Windkraftmoratorium“ (Moratorium lat. für „Aufschub“) in Kraft getreten; Kern ist § 2c des „Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung“ (RegBkPlG). Die neue Bestimmung sieht eine Art raumordnerischer Veränderungssperre für Windenergieanlagen vor, unter besonderen Voraussetzungen können diese in einzelnen Planungsregionen „vorläufig unzulässig“ sein. Etwas Vergleichbares ist seit 2015 aus Schleswig-Holstein bekannt und hat dort zu Verzögerungen im Windkraftausbau geführt. 

Im Unterschied zum Moratorium in Schleswig-Holstein wirkt die Veränderungssperre in Brandenburg jedoch nicht unmittelbar landesweit. Die Regelungen betreffen nur jene Regionalen Planungsgemeinschaften in Brandenburg,deren Festlegungen zur Windkraftnutzung durch rechtskräftige Entscheidung für unwirksam erklärt wurden. 

Das Gesetz verpflichtet die Planungsgemeinschaften (§ 2c Abs. 1 Satz 1 RegBkPlG),unverzüglich ein Verfahren zur Neuaufstellung, Änderung oder Fortschreibung ihres Regionalplans einzuleiten und in diesem auch Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur räumlichen Konzentration der Windkraftnutzung mit außergebietlichem Ausschluss festzulegen. 

Kern der Regelung 

Ab der öffentlichen Bekanntmachung über eine solche Planaufstellung ist in der betroffenen Planungsregion die Genehmigung raumbedeutsamer Windkraftanlagen regelmäßig unzulässig, § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG. Auf diese Wirkung muss in der Bekanntmachung hingewiesen werden.  

Vergleichbar der Regelung in Schleswig-Holstein dürfte viel dafür sprechen, dass auch hier mit der planungsrechtlichen Unzulässigkeit wahrscheinlich eher eine Befugnis geregelt ist, über die Genehmigungsanträge nicht zu entscheiden. Obwohl der Wortlaut dafür spricht, dürfte eine Befugnis zur Ablehnung nicht vorliegen. 

Verfassungsrechtliche Fragen

Sollte die Regelung des § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG als materielles Genehmigungshindernis, also als Genehmigungsvoraussetzung, zu verstehen sein, welche – anders als Regelungen des Raumordnungsrechts – unmittelbar ggü. dem Windkraftplaner wirkt, und damit von der Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB abweicht, stellt sich ernsthaft die Frage, ob es sich bei der getroffenen Regelung nicht eher um eine des Bodenrechts handelt, die gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG nicht der Kompetenz des Landes, sondern der des Bundes unterfällt. Dann hätte das Land die Regelung schon nicht erlassen dürfen. Insofern bleibt abzuwarten, wie die Regelung in der Praxis von Behörden und Gerichten verstanden und angewandt wird.

Auch hinsichtlich der materiellen Verfassungsmäßigkeit, also der Frage, ob die Regelung auch inhaltlich in Einklang mit dem Grundgesetz steht (betroffen sein können insb. die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sowie die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG), kann man zumindest Zweifel haben. Denn ob sich der Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen lässt und die planungsraumweite vorübergehende Unzulässigkeit von Windenergieanlagen wirklich erforderlich ist, um die Aufstellung von Regionalplänen zur Steuerung der Windenergienutzung zu sichern, erscheint – vor dem Hintergrund der Möglichkeit im Einzelfall befristete Untersagungen auszusprechen – jedenfalls diskutabel.

Ausnahmegenehmigungen sind möglich

Spannend wird vor allem sein, wie mit den Ausnahmen von der Unzulässigkeit umgegangen wird. Gemäß Moratorium soll es die Möglichkeit von Ausnahmen von der planungsrechtlichen Unzulässigkeit geben, und zwar gemäß § 2c Abs. 2 RegBkPlG für bestimmte Gebiete oder im Einzelfall, soweit nach dem jeweiligen Stand der in Aufstellung befindlichen Regionalpläne festgestellt werden kann, dass Windkraftanlagen die weitere Landesplanung nicht unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Die Voraussetzungen „nicht unmöglich machen oder wesentlich erschweren“ entsprechen dabei jenen des § 12 Abs. 2 ROG; insoweit können die Behörden auf die dazu entwickelte Rechtsprechung zurückgreifen. Entscheidend ist, dass sich kein erkennbarer Widerspruch der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme zu dem in Aufstellung befindlichen Ziel abzeichnet. Grundsätzlich bilden die voraussichtlichen Kriterien des gesamträumlichen Planungskonzepts, die ja mit der Einleitung des Planverfahrens bekannt gemacht werden müssen, eine Grundlage. Entspricht ein Vorhaben diesen Vorgaben, war die Fläche vielleicht auch bereits im aufgehobenen Plan als Eignungsgebiet vorgesehen, spricht einiges dafür, dass eine Ausnahme auch erreicht werden kann.

Ausnahmen von der Wirkung

Für bestimmte Vorhaben soll das Moratorium dabei schon grundsätzlich keine Wirkung entfalten. Dies sind zum einen Planungen und Maßnahmen, die zum maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. vor dem Wirksamwerden einer raumordnerischen Untersagung, bereits wirksam waren bzw. für die die baurechtliche oder immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit festgestellt worden ist, wobei das Datum des Genehmigungsbescheides maßgeblich ist (Bestandsschutz).

Zum anderen werden auch jene raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von Windkraftanlagen von der Wirkung des Moratoriums ausgenommen, die bereits auf der Basis eines wirksamen Bebauungsplanes planungsrechtlich zulässig sind. Das Moratorium gilt für den Außenbereich. 

Wann entfaltet das Moratorium Wirkung?

Wirkung kann das Moratorium entfalten, wenn wegen einer rechtskräftigen oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrollentscheidung ein Aufstellungsbeschluss für einen neuen Regionalplan einer Planungsregion öffentlich bekannt gemacht wird. Dies könnte absehbar für die Planungsregion Havelland-Fläming zu erwarten sein. Denn deren regionalplanerische Festlegungen für die Windkraftnutzung wurden mit Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juli 2018 für unwirksam erklärt (Az. 2 A 2.16 u. a.). Nachdem das Bundesverwaltungsgericht eine hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 21. März 2019 zurückgewiesen hat, sind die oberverwaltungsgerichtlichen Urteile nunmehr rechtskräftig. 

Für die anderen Planungsregionen in Brandenburg hat das Moratorium hingegen derzeit noch keine Bedeutung. Die Entscheidungen in den Normenkontrollen gegen die Festlegungen in den Regionalplänen Lausitz-Spreewald, Oderland-Spree und Uckermark-Barnim stehen noch aus. Jedenfalls unklar ist auch die Lage in der Region Prignitz-Oberhavel hier wurde am 30. April 2019 eine Neuaufstellung des Regionalplans einschließlich Windenergie beschlossen, dabei liegt ein Teilplan zum Freiraum und Windkraft zur Genehmigung vor.

Spannend ist zudem, wie das Oberverwaltungsgericht in den einzelnen Verfahren tenorieren wird. Grundsätzlich bleibt immer die Möglichkeit, dass allein die Konzentrationsplanung aufgehoben wird, aber nicht die positiven Festlegungen für die Windenergie. Dann würden die Eignungsgebiete aus den aufgehobenen Regionalplänen noch vorhanden sein, und damit, als wahrscheinlich Ziele der Raumordnung, die Vorhabenzulassung planerisch unterstützen. Hier könnte sich trotz der Plansicherungsinstrumente eine Anspruchsausnahme durchaus verdichten.

Was können Windkraftplaner derzeit tun?

Bis das Moratorium rechtliche Bedeutung für die Zulassung von Windenergieanlagen erlangt, bleibt – je nach Planungsregion – noch eine Handlungsmöglichkeit. Diese sollten Windkraftplaner jetzt nutzen. Wie gut das gelingt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie mit dem Moratorium umgegangen wird. Kurzfristig sollten Windenergieplaner versuchen, in Abstimmung mit den Behörden die Genehmigungserteilung für schon weit fortgeschrittene Vorhaben zu forcieren. Das kann auch bedeuten „Kröten“ zu schlucken, um Konflikte zu vermeiden und eine schnelle Zulassung zu erhalten.

Augenmerk ist sodann auf die laufenden Aufstellungs- oder Änderungsverfahren für Bebauungspläne mit Festsetzungen für die Windkraft zu richten. Da im Zeitpunkt der Untersagung wirksame Bebauungspläne von der Wirkung des Moratoriums ausgenommen sind, sollte auch diese Bauleitplanung vorangebracht und zeitig zum Abschluss gebracht werden. 

Als Ansprechpartner stehen Ihnen für alle Rückfragen gerne Herr Dr. Andreas Hinsch, Frau Dr. Mahand Vogt und Herr Benjamin Zietlow zur Verfügung. 

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