Einwirkungsbereich im Windpark - zurück zur TA Lärm!

24.01.2025

Bundesverwaltungsgericht rückt rechtswidrige Verwaltungspraxis gerade

Die Schallimmissionsermittlung von Windenergieanlagen richtet sich grundsätzlich nach der Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm. Diese bundesweit gültige Verwaltungsvorschrift soll zu einem bundeseinheitlichen Vollzug des Immissionsschutzrechts in Fragen des Schallschutzes führen. Die Vorgaben der TA Lärm sind insoweit für Gerichte und Behörden bindend.

Die Immissionsschutzverwaltung des Bundes und der Länder (zusammengefasst in der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI)) hat viele Modifikationen zur Schallimmissionsermittlung und -bewertung von Windenergieanlagen veröffentlicht und diese sind heute bei der Prognose und Bewertung der Schallimmissionen von Windenergieanlagen Standard und für die Länder verbindlich eingeführt. Besonders hervorzuheben hier ist das sog. Interimsverfahren, was für die Schallimmissionsermittlung für Windenergieanlagen erhöhte Anforderungen setzt.

Umgang mit dem Einwirkungsbereich

In diesen Themenkreis gehört auch die Frage des sog. erweiterten Einwirkungsbereichs. In Windparks mit einer Vielzahl von Anlagen und somit einer Vielzahl von Schallquellen, ist es bislang gängige Behördenpraxis gewesen, einen sog. erweiterten Einwirkungsbereich um die jeweilige Anlage zu setzen und so den Bereich zu bestimmen, in dem die Immissionen dieser Anlage noch relevant sind und für die Bewertung herangezogen werden können. Der sog. erweiterte Einwirkungsbereich einer Anlage betrifft die Flächen, in denen die von der Anlage ausgehenden Geräusche einen Schallpegel verursachen, der weniger als 12 bzw. 15 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt. Das weicht allerdings von den Bestimmungen der TA Lärm (hier Nr. 2.2 Buchst. a) ab, die nur einen Schallpegel von weniger als 10 dB(A) regeln. Die LAI-Hinweise zur Auslegung der TA Lärm (S. 10) führen aus:

„In welchen Fällen von einer Anwendung der Nummer 2.2 abzusehen ist, hängt neben der Anzahl der Anlagen auch vom Ausmaß der Unterschreitung des Immissionsrichtwerts und der Schallenergie der relevanten Anlagen ab.“

Die Vorgabe des Einwirkungsbereich durch die TA Lärm erscheint so als eine Setzung, die nach praktischen Bedürfnissen durch die Behörden modifiziert werden kann. Begründet wurde dies häufig mit den sonst möglichen Richtwertüberschreitungen; so jüngst das OVG Münster (Urt. v. 06.09.2024 – 8 D 194/21.AK):

„Bei einer sehr großen Anzahl einwirkender Anlagen bzw. relevanter Vorbelastung, die auch außerhalb des durch Nr. 2.2 TA Lärm schematisch umschriebenen Einwirkungsbereichs zu einer Pegelerhöhung und Überschreitung des Immissionsrichtwertes durch die Gesamtbelastung um mehr als 1 dB(A) und damit zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, ist - in gesetzeskonformer Anwendung der TA Lärm - ein erweiterter Einwirkungsbereich zugrunde zu legen.“

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Diese Praxis hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Januar 2025 (Az. 7 C 4.24) nicht gebilligt. Auf die Revision eines von Blanke Meier Evers vertretenen Betreibers hat es festgehalten, dass die Regelungen der TA Lärm zum Einwirkungsbereich auch für Windenergieanlagen bindend anzuwenden sind. Auch eine Sonderfallprüfung (Nr. 3.2.2 TA Lärm) ist dann nicht notwendig und vielmehr rechtlich ausgeschlossen. Insoweit hat es die, die Schallimmissionen der Anlagen begrenzenden Nebenbestimmungen (Festsetzung der Schallleistungspegel der Anlagen) ersatzlos aufgehoben.

In der mündlichen Verhandlung war zudem die Ermittlung der Vorbelastung Thema. Hier hat das Bundesverwaltungsgerichts festgehalten, dass auch bei der Ermittlung der Vorbelastung (Nr. 2.4 TA Lärm) der Einwirkungsbereich der Anlagen zu berücksichtigen sei. Das heißt, vorhandene Windenergieanlagen in einem Windpark, die einen Schallimmissionsbeitrag liefern, der an den jeweiligen Immissionsorten mehr als 10 dB(A) unter dem Richtwert liegt, sind nicht als relevante Vorbelastung zu berücksichtigen. Auch das weicht in dieser Form von der Verwaltungspraxis bundesweit ab, war aber in einer älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angelegt (Beschl. v. 28.07.2022, 7 B 15.21).

Praktische Folgen

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie die Regelungen der TA Lärm in ihrer rechtlichen Bedeutung hervorhebt, und die dazu noch unterschiedliche Verwaltungspraxis der Länder im Ergebnis korrigieren wird. Insoweit hat die Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf die Ermittlung der Schallimmissionen von Windenergieanlagen. Sie wird für die Betreiber zusätzliche Räume für den nächtlichen Betrieb der Anlagen schaffen, um in den insoweit kritischen Nachstunden den Ertrag der Windenergieanlagen zu steigern, da die relevanten Einwirkungsbereiche der Anlagen verringert werden und zudem in großen Windparks die zu berücksichtigende Vorbelastung geringer ausfallen wird. Gleichzeitig wird das allenfalls marginale Auswirkungen auf die Nachbarschaft der Anlagen haben.

Das ist eine sehr erfreuliche und weitreichende Entscheidung des obersten deutschen Verwaltungsgerichts für die Windenergienutzung. Es bleiben jedenfalls die schriftlichen Gründe der Entscheidung abzuwarten, um Näheres zu bestimmen. Wenn Sie schon Rückfragen zu der Entscheidung haben, steht Ihnen unser Partner, Dr. Andreas Hinsch, gerne zur Verfügung.

 

 

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