Entscheidung zur Verunstaltung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen

04.10.2019

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat kürzlich die Frage, ob rund 200 m hohe Windenergieanlagen am Rande der 2002 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommenen „Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal“ zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes und einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft führen, zugunsten der Windenergie entschieden (OVG Koblenz, Urt. v. 06.06.2019, 1 A 11532/18 – juris). Das Gericht kassierte im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Juli 2018 (Az. 4 K 748/17.KO). Das Verwaltungsgericht Koblenz ging noch von einer visuellen Dominanz der Windenergieanlagen und einer durch sie erzeugten Störung des Landschaftsbildes bei Boppard und der dortigen „noch weitgehend naturnahen Hänge und Höhenzüge“ aus und stützte die immissionsschutzrechtliche Ablehnungsentscheidung des Rhein-Hunsrück-Kreises. Das Oberverwaltungsgericht verpflichtete die Genehmigungsbehörde nun, über den Antrag zu Errichtung und Betrieb von drei Windenergieanlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

 

Voraussetzungen einer optischen Beeinträchtigung

 

In seinem Urteil stellt das Obergericht zunächst sehr anschaulich die Voraussetzungen einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen dar. Demnach ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Landschaftsbild durch im Außenbereich privilegierte Windenergieanlagen – optisch – beeinträchtigt wird. Das Landschaftsbild ist aber (nur) schützenswert, sofern der Außenbereich seine Eigenart im Wesentlichen auch in Bezug auf das Landschaftsbild behalten hat. Eine Verunstaltung durch Windenergieanlagen kann nur in den Fällen angenommen werden, in denen in eine wegen ihrer Schönheit und Funktion ganz besonders schutzwürdige Umgebung in einer diese Schönheit und Funktion in mehr als unerheblichem Maße beeinträchtigenden Weise eingegriffen wird oder es sich um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt. Bloße nachteilige Veränderungen genügen nicht. Eine Vorbelastung ist zu berücksichtigen, soweit diese gleich oder zumindest ähnlich mit der des Bauvorhabens ist.

 

Zu den Voraussetzungen einer optischen Beeinträchtigung führt das Oberverwaltungsgericht weiter aus, dass das Landschaftsbild und die streitgegenständlichen Anlagen dazu auch in einer optischen Beziehung zueinander stehen müssen. Dies setzt Blickpunkte voraus, von denen aus das zu schützende und das möglicherweise störende Objekt gemeinsam (kulissenartig) in den Blick genommen werden können. Abzustellen ist nach den Ausführungen des Gerichts dabei nur auf schutzzweckrelevante Blickpunkte, d.h. solche mit einerseits quantitativ gewisser Häufigkeit der Nutzung durch Betrachter und andererseits mit einer Zweckbindung der Nutzung im Hinblick auf das Landschaftsbild. Eine zufällige oder nur theoretische Nutzung genügen demnach nicht.  

 

Keine Verunstaltung

 

Zunächst handelt es sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz beim Oberen Mittelrheintal unabhängig von seinem Welterbestatus um eine zweifellos besonders schutzwürdige Landschaft. Im betrachteten Bereich aber sei die Landschaft konkret nur durchschnittlich schutzwürdig und würde durch das Vorhaben auch nicht verunstaltet. Zum einen seien die Windenergieanlagen von den relevanten Blickpunkten entweder entfernungsbedingt nur relativ schwach oder allenfalls randständig gemeinsam mit dem Rhein zu sehen. Zum anderen würde das Sichtfeld von den Blickpunkten durch Ortslagen, Straßen, Gewerbegebiete u.a. dominiert und die Hügelkette mit den geplanten Standorten so optisch vom besonders schutzwürdigen Rheintal getrennt. Die Windenergieanlagen träten daher als eine vergleichsweise unbedeutende Erscheinung am Rande ins Blickfeld bzw. erst hinter diese Zäsur in Erscheinung. Im Ergebnis werde dieser Bereich des Oberen Mittelrheintals durch die drei geplanten Windenergieanlagen weder verunstaltet noch lägen Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Eigenart der Landschaft vor.

 

Sein Urteil stützte das Gericht dabei auf eigene Kenntnisse aus einem Ortstermin, bei dem – ausgehend von vier nach Relevanz ausgewählten Aussichtspunkten gemäß einer Sichtachsenstudie des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur und dem Zweckverband Oberes Mittelrheintal – das Störpotenzial der drei Anlagen im Einzelfall betrachtet wurde.  

 

Kein weitgehend unberührtes Gebiet

 

Das Oberverwaltungsgericht sah auch keine relevante Beeinträchtigung des Schutzzweckes der Landesverordnung „Landschaftsschutzgebiet Rheingebiet von Bingen bis Koblenz“ durch die Errichtung der Windenergieanlagen. Beim Rheintal und seinen Seitentälern handele es sich nicht mehr um ein von der Zivilisation weitgehend unberührt gebliebenes und in diesem Sinne noch weitgehend naturnahes Gebiet, so dass mit der Errichtung der Windenergieanlagen nicht in die Schutzzwecke der Verordnung eingegriffen würde.

 

Keine optische Beeinträchtigung landschaftsprägender Baudenkmale

 

Eine Beeinträchtigung der zu den Vorhabenstandorten nahegelegenen landschaftsprägenden Burgen des Rheintals erkannte das Oberverwaltungsgericht schlussendlich ebenfalls nicht, und zwar weder gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB noch nach den Anforderungen des DSchG. Hiergegen spreche vor allem ein Abstand zwischen den Burgen und den Anlagen von mehr als 5 km Luftlinie wie auch das Fehlen einer optischen Beziehung zwischen Vorhaben und Denkmalen. Die für das Erscheinungsbild eines Denkmals maßgebliche Umgebung, auf die im Rahmen des DSchG abzustellen ist, könne zudem nicht weiter reichen, als das Denkmal die Landschaft gemäß regionalplanerischer Zielfestlegung selbst prägt.

 

Im Ergebnis liest sich diese Entscheidung sehr positiv für die Windenergie, insbesondere für Vorhaben in der Nähe einer Welterbestätte. Als hilfreich dürften sich für künftige Fälle dabei vor allem die Ausführungen des Gerichts zur Geeignetheit schutzzweckrelevanter Blickpunkte und die Erforderlichkeit bestimmter Sichtbeziehungen zwischen den Prüfbelangen darstellen.

Gerne beraten wir Sie in einer vergleichbaren Angelegenheit. Als Ansprechpartner stehen Ihnen für alle Rückfragen gerne Herr Dr. Andreas Hinsch, Frau Dr. Mahand Vogt und Herr Benjamin Zietlow zur Verfügung.

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