Typenänderung einer Windenergieanlage nach Genehmigungserteilung

19.08.2019

Häufig wird es auch nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich, den genehmigten Anlagentyp nochmals zu ändern – sei es, weil der genehmigte Anlagentyp nicht mehr am Markt verfügbar oder ein anderer Typ wirtschaftlich besser realisierbar ist.

Die Behördenpraxis ist hier bislang sehr uneinheitlich. Vom Erfordernis eines reinen Anzeigeverfahrens (§ 15 BImSchG), über ein Änderungsgenehmigungsverfahren (§ 16 BImSchG) bis hin zum Neuantrag ist alles dabei. Im Detail hängt das natürlich auch immer vom Umfang der konkreten Änderung ab, aber auch bei ähnlichen Änderungen ist die Bandbreite der verfahrensmäßigen Anforderungen beachtlich.

In der Vergangenheit gab es gerichtliche Entscheidungen, die sich mit der Frage, ob ein Typenwechsel eine bloße Änderung ist, beschäftigen (zuletzt mehrere Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, Az. 22 CS 18.2572, 22 CS 19.281, u.a.). Dies lädt dazu ein, sich diesem Thema nochmals etwas zu nähern.

Wenn man sich der Frage allein über die immissionsschutzrechtlichen Änderungsbestimmungen (§ 15 f. BImSchG) nähert, stellt sich die Frage, inwieweit die Änderung Auswirkungen auf die immissionsschutzrechtliche Bewertung hat. Dann ist man schnell dabei, auch bei einem Typenwechsel anzunehmen, dass auf eine Änderungsgenehmigung verzichtet werden kann, insbesondere weil die Emissionen des neuen Anlagentyps hinter denen der des alten zurückbleiben. Vielleicht greift das etwas zu kurz, denn ein solches rein immissionsschutzrechtliches Vorgehen scheidet aus, wenn überhaupt kein baurechtlicher Anknüpfungspunkt für eine Änderung vorliegt, weil es sich um ein anderes oder neues Vorhaben handelt („Aliud“).

Fraglich ist im Kern, ob ein Typenwechsel baurechtlich i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB noch eine Änderung oder bereits eine Neuerrichtung darstellt. In der Kommentarliteratur heißt es ganz allgemein zur Abgrenzung, dass der Unterschied zwischen der (Neu-) Errichtung und der Änderung einer Anlage darin liegt, dass bei der Errichtung eine neue, bisher noch nicht vorhandene bauliche Anlage geschaffen wird, während eine Änderung eine vorhandene bauliche Anlage voraussetzt.

Geht mit dem Typenwechsel nur ein Austausch des Generators oder ein größerer Rotor einher und bleibt es ansonsten beim selben Turm desselben Herstellers, ließe sich sicher gut eine bloße Änderung annehmen. Führt der Typenwechsel aber zugleich zu einem ganz anderen Modell mit insgesamt abweichenden Abmessungen oder gar zu einem Modell eines anderen Herstellers, lässt sich nur noch schwerlich argumentieren, dass eine vorhandene bauliche Anlage ergänzt wird.

In die gleiche Richtung schlägt nun auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 05.04.2019 – 22 CS 19.281 – juris Rz. 44 ff.) und präzisiert für Windenergieanlagen, wann nicht von einem „Aliud“ auszugehen ist:

„Nur dann, wenn die Änderung einer baulichen Anlage einer isolierten Beurteilung zugänglich ist, kann die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen auf diesen eingeschränkten Prüfungsgegenstand und die nur für ihn geltenden einzelnen bebauungsrechtlichen Anforderungen beschränkt werden. Anderenfalls ist das „Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt“ auf seine Genehmigungsfähigkeit zu prüfen ([…]).“

Weiter führt das Gericht aus, die Annahme eines „Aliuds“ läge hingegen dann nahe, wenn mit dem Änderungsantrag nahezu alle maßgeblichen Pläne, Bauvorlagen und technische Beschreibungen sowie Unterlagen zu Umweltauswirkungen andere als beim Erstvorhaben sind.

So führt bspw. ein anderer Generator oder eine andere Nennleistung zum Erfordernis der Neubeurteilung der Schallimmissionen (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), ein größerer Rotor bedarf neben der Neubeurteilung der Schattenimmissionen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) auch einer neuen naturschutzfachlichen (insb. Artenschutz, Landschaftsbild) Bewertung (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Daneben stehen beim Austausch größerer Komponenten auch immer neue statische Prüfungen an.

Je umfassender also die mit dem Typenwechsel einhergehenden tatsächlichen Änderungen sind, umso größer wird auch der erneute Prüfaufwand und umso weniger kann der Prüfungsgegenstand auf einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen beschränkt werden, wie die obigen Beispiele gezeigt haben.

Aus unserer Sicht ist diese Herangehensweise (u.a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes) nicht abwegig, insb. wenn man bedenkt, wie man die Frage beurteilen würde, wenn es sich um eine bereits errichtete Windenergieanlage handeln würde. Müssen für den Typenwechsel nur einzelne Anlagenteile ausgetauscht werden (Gondel, Generator, Rotor) und könnte auf dem bestehenden Turm ansonsten aufgesetzt werden, spricht einiges für eine Änderung, müsste die bestehende Windenergieanlage aber für die Änderung zunächst in Gänze beseitigt werden, spricht praktisch mehr für eine Neuerrichtung.

Handelt es sich also um einen Typenwechsel mit nur geringen Modifikationen bei einzelnen Bauteilen, lässt sich gut eine Änderung annehmen. Wird allerdings zum Modell eines anderen Herstellers gewechselt, werden die baurechtliche Fragen neu aufgeworfen, weil sich letztlich – auch beim selben Standort und vergleichbaren Abmessungen – jedenfalls die Fragen zu Statik und Schall immer neu stellen werden. Wo genau die Grenze zwischen Änderung und Neuerrichtung verläuft, lässt sich letztlich abstrakt nicht bestimmen, sondern dies wird immer eine Frage des konkreten Einzelfalls sein.

In vielen Fällen (insb. bei umfänglicheren Änderungen) wird es praktisch keinen besonders großen Unterschied machen, ob nun von einem Änderungsvorhaben oder einem Neuvorhaben auszugehen ist. Der tatsächliche Aufwand dürfte nahezu identisch sein und hinsichtlich der Änderungen müssen auch die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen in beiden Fällen geprüft und eingehalten sein.

Ein Problem kann sich im Einzelfall aber bei Aspekten des Vorhabens ergeben, die sich nicht ändern (z.B. der Standort); haben sich dafür aber beispielsweise zwischenzeitlich die planungsrechtlichen Grundlagen zu Lasten des Vorhabens geändert (z.B. die Bauleitplanung oder Regionalplanung), wäre der Typenwechsel eben nur mit einer Änderungsgenehmigung, nicht aber mit einer Neugenehmigung (bei der die Zulässigkeit insgesamt neu abgeprüft wird) möglich. Auch in Konkurrenzsituationen (Stichwort: Schall) kann ein anknüpfen an die ursprüngliche Genehmigung vorteilhaft sein.

Ansprechpartner zu diesen und anderen Fragen des Genehmigungsverfahrens sind Herr Dr. Andreas Hinsch, Frau Charlotte Probst, Frau Dr. Mahand Vogt und Herr Benjamin Zietlow.

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