Missbrauchsverfahrens bei der BNetzA: Umfang der Blindleistungsbereitstellung in Mischparks

23.04.2020

 

Mit Beschluss vom 9. März 2020 hat die BNetzA im Rahmen eines Besonderen Missbrauchsverfahrens entschieden, dass einseitige Vorgaben zur Blindleistungskompensation von Seiten eines Netzbetreibers, die über Vereinbarungen in einem Netzanschlussvertrag hinausgehen, unzulässig sind. Damit wurde dem Antrag von Blanke Meier Evers vertretenen Anlagenbetreiberin stattgeben. 

 

Die Antragstellerin ist Betreiberin von Repowering-Anlagen, die in einem Windpark mit Bestandsanlagen errichtet wurden. Über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt speisen alle Anlagen den erzeugten Strom in das Netz der Antragsgegnerin ein. Mit den Betreibern der Bestandsanlagen vereinbarte die Antragsgegnerin vor Inbetriebnahme in entsprechenden Netzanschlussverträgen u.a. auch die zu erbringende Blindleistung (cos ? ≥ 0,98). Vor Inbetriebnahme der Neuanlagen übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen Datenabfragebogen, ein Standard-Formblatt aus dem Anhang der TAR-Hochspannung. Unter dem Punkt „Anforderungen hinsichtlich Blindleistungsverhalten der Altanlagen bei Mischparks“ hatte die Antragsgegnerin hier bereits einseitig den Wert cos ? = 1 eingetragen und bestand – damit dieser Wert am Netzverknüpfungsunkt eingehalten und für die Neuanlagen ein Anlagenzertifikat ausgestellt werden kann – auf der Installation einer Blindleistungskompensationsanlage auf Kosten der Antragstellerin. Im Rahmen des Besonderen Missbrauchsverfahrens begehrte die Antragstellerin nunmehr die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zu ihren Lasten unzulässige Maßstäbe an die Blindleistungsbereitstellung am Netzverknüpfungspunkt anlegt und damit gegen Pflichten nach dem EnWG verstößt.

 

Die BNetzA hat entschieden, dass der zulässige Antrag auch begründet ist, da ein Verstoß gegen § 19 EnWG in Verbindung mit § 17 EnWG und der TAR-Hochspannung vorliegt. Ein missbräuchliches Verhalten liegt hier darin, dass die Antragsgegnerin für die Bestandsanlagen strengere Blindleistungsanforderungen als die vertraglich vereinbarten gefordert hat. Das Anlegen des Wertes cos ? = 1 für Bestandsanlagen erfolgt im Widerspruch zu den bestehenden vertraglichen Regelungen der Antragsgegnerin mit den entsprechenden Betreibern. Damit handelt es sich um eine Verletzung der Vorschriften des EnWG.

 

Die Entscheidung zeigt, dass das besondere Missbrauchsverfahren der Regulierungsbehörde – verglichen mit der gleichfalls bestehenden Möglichkeit einer zivilprozessualen Durchsetzung den Netzanschluss betreffender Ansprüche – ein ebenso effektives und insbesondere zeiteffizientes Verfahren darstellt, eine Entscheidung durch eine Behörde, die in dieser Hinsicht mit besonderem Sachverstand ausgestattet ist, zu erwirken. Sind also Fragen zum Netzanschluss streitig, bietet sich stets auch die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Missbrauchsverfahrens bei der Bundesnetzagentur an. Für eine ausführliche Darstellung des Verfahrens verweisen wir auf unseren Rundbrief Ausgabe 56/Februar 2020.Sollten Sie konkrete Fragen zum Thema haben, stehen Ihnen die Rechtsanwälte Herr Dr. Heineke, Herr Heidorn, Herr Wenzel und Frau Probst gern zur Verfügung.

 

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