BGH schafft Klarheit zur „Schwebezeit“ bei Nutzungsverträgen

12.05.2025

Mit Urteil vom 12. März 2025 (Az. XII ZR 76/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Fragestellung geklärt. Danach können Grundstückseigentümer einen Nutzungsvertrag für Windenergieanlagen in der Phase vor Baubeginn grundsätzlich nicht ordentlich kündigen, wenn der Vertrag – auch ohne ausdrückliche Regelung – eine feste Bindung bis zum Eintritt bestimmter Bedingungen vorsieht.

 

Sachverhalt

 

Der der Entscheidung zugrunde liegende Nutzungsvertrag sollte mit Unterzeichnung wirksam werden und ab Inbetriebnahme der letzten Windenergieanlage für 20 Jahre laufen, wobei die Nutzung des Grundstücks jedoch erst ab Baubeginn vorgesehen war. Nachdem sich die Erteilung der Genehmigung über Jahre verzögerte, kündigte der Grundstückseigentümer den Vertrag ordentlich. Die Betreiberin klagte gleichwohl auf Abgabe notarieller Erklärungen zur Eintragung von Dienstbarkeiten und Baulasten. Mit Erfolg.

 

Der BGH stellte klar, dass der Vertrag durch eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB geprägt sei. Die feste Laufzeit beginne erst mit einem bestimmten Ereignis (hier: Baubeginn/Inbetriebnahme der Windenergieanlage). Bis dahin bestehe ein unbestimmter Schwebezustand, in dem der Vertrag bereits bindend, aber die feste Mietzeit noch nicht angelaufen sei.

 

Nach Auffassung des Senats sei in dieser Phase ein konkludenter Ausschluss der ordentlichen Kündigung anzunehmen. Denn ein Kündigungsrecht vor Baubeginn würde die Investitionssicherheit des Projektierers gefährden und die Realisierung von Windenergieanlagen faktisch unmöglich machen. Die Interessenlage und die Systematik des Vertrags sprächen daher für eine feste Bindung bis zum Eintritt der Bedingung.

 

Der BGH sieht in diesem Kündigungsausschluss auch keine unangemessene Benachteiligung des Grundstückseigentümers nach § 307 Abs. 1 BGB. Während der Wartezeit könne das Grundstück weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, und der Vertrag sah zudem ein Rücktrittsrecht für den Fall vor, dass die Genehmigung nicht innerhalb von fünf Jahren (mit Verlängerungsmöglichkeit) erteilt wird. Ein dauerhaft unentgeltlicher Zustand werde somit ausgeschlossen.

 

Die Grundsätze gelten mithin ausdrücklich auch für vorformulierte Verträge (Allgemeine Geschäftsbedingungen). Entscheidend sei die objektive Auslegung nach dem Verständnis redlicher Vertragspartner aus dem jeweiligen Verkehrskreis, hier meist Landwirte und Projektierer.

 

Fazit und Empfehlung

 

Mit dieser Entscheidung erhalten Projektierer mehr Flexibilität und Planungssicherheit. Grundstückseigentümer sind nicht rechtlos gestellt. Sie behalten das Recht, die Fläche bis zum Baubeginn weiterhin zu nutzen und können im Falle dauerhaft ausbleibender Genehmigungen den Vertrag beenden. Gleichwohl bleibt die konkrete Vertragsgestaltung relevant. Eine ordentliche Kündigung des Nutzungsvertrags vor Baubeginn ist grundsätzlich nur dann ausgeschlossen, sofern der Vertrag – auch konkludent – eine feste Bindung bis zum Eintritt bestimmter Bedingungen vorsieht. Projektierer sollten und müssen daher auch weiterhin auf eine klare und rechtssichere Vertragsgestaltung achten, um ihre Investitionen zu schützen und langwierige Genehmigungsphasen abzusichern. Bei Rückfragen oder Beratungsbedarf hierzu stehen Ihnen unsere kompetenten Beraterinnen und Berater gerne zur Verfügung

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