Der neue Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG und die Frage der Rangsicherung

24.09.2024

Der neue Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG und die Frage der Rangsicherung

Mit Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) hat der Gesetzgeber auch die Regelungen für das Vorbescheidsverfahren überarbeitet und die bisherigen Möglichkeiten, einen Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG zu beantragen, um den § 9 Abs. 1a BImSchG erweitert.

Der Vorbescheid nach § 9 BImSchG

Unverändert bleibt dabei das Prinzip des Vorbescheides, über den, noch bevor eine Vollgenehmigung beantragt wird, eine bindende Entscheidung über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen abgefragt werden kann.

Abgesehen davon unterscheiden sich die jetzt möglichen zwei Vorbescheidsverfahren aber in Umfang, zeitlicher Dauer und Reichweite der Entscheidung.

So ist das neue Verfahren auf Windenergievorhaben beschränkt und der Antrag darf nur gestellt werden, wenn noch kein Genehmigungsantrag für das Vorhaben anhängig ist.

Insbesondere aber erfordert die Erteilung nur noch, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, was regelmäßig unproblematisch ist. Nicht mehr erforderlich ist jedoch, dass gleichzeitig die Auswirkungen des geplanten Vorhabens „ausreichend beurteilt werden können“ müssen. Dies erfordert die Feststellung einer vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung für das Vorhaben. D.h., die Genehmigungsbehörde muss beim Verfahren nach § 9 Abs. 1 BImSchG zumindest kursorisch prüfen, ob öffentliche-rechtliche Bestimmungen, auch solche, die im Zuge des Vorbescheidsverfahrens gar nicht zur Prüfung anstehen, der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens später voraussichtlich entgegenstehen werden. Ist das der Fall, kann der normale Vorbescheid nicht erteilt werden. Diese Prüfung erfordert häufig umfängliche Unterlagen zur Zulässigkeit des Vorhabens insgesamt, was das Verfahren in zeitlicher und finanzieller Hinsicht nahe an ein Vollgenehmigungsverfahren heranrückt. Seine Funktion, der schnellen und einfachen Klärung einzelner Vorfragen könnte der Vorbescheid – jedenfalls bei Windenergievorhaben – kaum erfüllen.

Der neue § 9 Abs. 1a BImSchG schafft nun die Möglichkeit, das Vorliegen einzelner Genehmigungsvoraussetzungen vorab bindend feststellen zu lassen, ohne dass auch eine vorläufige positive Beurteilung in Bezug auf alle Genehmigungsvoraussetzungen zu erfolgen hat. Der Umfang der hierzu vorzulegenden Unterlagen beschränkt sich daher auf die abschließend – vom Vorhabenträger zu wählenden – und damit zu prüfenden öffentlichen Belange, z.B. Schall, Schatten, Planungsrecht. Nicht mehr erforderlich ist eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens; sondern Gegenstand der Vorprüfung sind nur die Betroffenheit der Umweltgüter, die durch die Vorbescheidsfrage aufgeworfen werden. Das strafft das Verfahren und macht es attraktiv für Windprojektierer.

Die Frage der Rangsicherung gegenüber Konkurrenzvorhaben

Ob man als Projektierer einen Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 oder 1a BImSchG beantragt, bedarf dennoch genauer Überlegung.

Denn einem Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BinSchG kommt nicht immer eine rangsichernde Wirkung gegenüber einem Konkurrenzvorhaben zu, wie sie die Rechtsprechung dem Vorbescheid sonst zuerkannt hat. Andererseits entbehrt ein Vorbescheid nach der neuen Möglichkeit nicht vollständig einer rangsichernden Wirkung, wie man dies ggf. den missverständlichen Formulierungen der Gesetzesbegründungen (BR-Drs. 201/23, S. 4; BT-Drs. 20/7502, S. 29) entnehmen könnte.

Vielmehr kommt es darauf an, welche Genehmigungsvoraussetzungen der Vorhabenträger vorab bindend geprüft haben möchte. Sind nur einzelne (ggfs. für die Konkurrenzthematik völlig unerhebliche) Genehmigungsvoraussetzungen zur Prüfung gestellt, ist über den Vorbescheid keine Rangsicherung für das Gesamtvorhaben zu erreichen. Grund dafür ist das Fehlen einer vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung für die Auswirkungen des Vorhabens im Übrigen, d.h. die überschlägige Prüfung jener öffentlichen Belange, die nicht Gegenstand der Vorbescheidsfrage sind, darunter auch die erforderlichen baurechtlichen Abstände, die Turbulenzwirkungen der Anlagen usw.

Die bindende und damit rangsichernde Funktion des Vorbescheides nach § 9 Abs. 1a BImSchG betrifft insoweit stets und nur die konkret und abschließend zur Prüfung gestellte Genehmigungsvoraussetzung. Da es in Bezug auf die konkret gestellten Vorbescheidsfragen bei der gleichen Prüftiefe des Vorbescheids nach § 9 Abs. 1 BImSchG verbleibt, d.h., die zur Entscheidung gestellten Genehmigungsvoraussetzungen in der gleichen Prüfungstiefe abgeprüft werden, wie bei Erteilung einer Genehmigung nach § 4 BImSchG, und insoweit alle hierfür erforderlichen Antragsunterlagen vorgelegt werden müssen, ist die Genehmigungsbehörde in Bezug auf die entschiedenen Fragen im folgenden Genehmigungsverfahren nach § 4 BImSchG dann gebunden und darf über diese Genehmigungsvoraussetzungen auch bei Änderung der Sach- und Rechtslage bei einem Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG nicht mehr anders entscheiden und insoweit ist der Vorbescheid dann auch rangsichernd.

Konkret: Soweit der Vorbescheid allein einzelne Voraussetzungen prüft, etwa die Schallwirkungen der Anlagen, ohne dass auch die Umweltauswirkungen der Anlagen insgesamt geprüft werden, hat der Vorbescheid auch nur insoweit bindenden Charakter, nicht aber hinsichtlich etwaiger Turbulenzbelastungen. Damit sichert sich ein Projektierer z.B. Schallkontingente, schützt sein Vorhaben aber nicht gegen einen weiteren Zubau eines Konkurrenzvorhabens. Dieses hätte vielmehr die Schallwirkungen des insoweit vorrangigen Vorhabens zu berücksichtigen, ohne dass es an einer Konkurrenzplanung in unmittelbarer Nähe gehindert wäre.

Werden aber die für die Konkurrenzsituation maßgeblichen Genehmigungsvoraussetzungen (Schall, Schatten und Turbulenz) gemeinsam zum Gegenstand gemacht, tritt auch insoweit eine Bindungswirkung und Rangsicherung ein, ansonsten verlöre der Vorbescheid seine Funktion.

Sofern Sie Fragen zum Vorbescheidsverfahren oder allgemein zu den behandelten Themen haben, steht Ihnen das Team von BME, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen Herr Dr. Hinsch, Frau Dr. Vogt, Herr Zietlow, Frau Hesselmann, Herr Bunte und Herr Dr. Thibaut gerne zur Verfügung.

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